Ausführliche Infos zum VSG finden Sie HIER in unserem IRRGEISTER-Sonderheft zum Vogelschutzgebiet.
Durch Flächenverbrauch, landwirtschaftliche Intensivierung und Klimawandel befinden wir uns gerade in der Zeit eines historischen Artensterbens.
Umso bedeutsamer ist die Region des Diemel- und Hoppecketals mit seiner Umgebung im östlichen Hochsauerlandkreis: Die Populationen bestimmter bedrohter Arten sind hier (noch) so groß, dass diesem Gebiet europaweite Bedeutung für deren Schutz zukommt. Der VNV hat darum im Dezember 2019 bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf Ausweisung eines „Europäischen Vogelschutzgebiets“ (VSG) gestellt, um den langfristigen Schutz dieser bedrohten Arten zu gewährleisten. Durchschriften des Antrages sind zeitgleich an das Land NRW, die Bezirksregierung Arnsberg und den Hochsauerlandkreis gegangen.
Das Land Nordrhein-Westfalen folgt der Argumentation des Antrags. Die Prüfung durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) hat die hohe Schutzwürdigkeit bestätigt.
Die Bezirksregierung Arnsberg als federführende Behörde sagt: Das Gebiet „von Esshoff im Westen bis Essentho im Nordosten hätte ‘aufgrund der Datenlage‘ schon 2004 als Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden müssen. Schon damals habe diese Fläche ‘zu den für den Vogelschutz geeignetsten Gebieten‘ gehört.“ (Zitat Westfalenpost vom 17.12.2020)
Langjährige Bestandsaufnahmen u.a. von Rotmilan, Uhu, Grauspecht, Raubwürger und Neuntöter beweisen die europäische Bedeutung der hier beheimateten Populationen dieser Arten. Das LANUV führt aus, dass eine ganze Reihe von Kriterien zur zwingenden Ausweisung eines VSG erfüllt sind – dabei würde schon ein Kriterium allein eine Ausweisung nötig machen:
- Der Raubwürger als FFH-Anhang I-Art komme mit über 1 % des deutschen Brutbestandes im Gebiet vor.
- Das Gebiet weise mit 20-25 Individuen einen bedeutenden Winterbestand des Raubwürgers auf. Daher sei das Kriterium, dass sich hier von dieser Art mindestens 1 % der Rast- und Überwinterungsräume Deutschlands befinden, möglicherweise erfüllt (möglicherweise, weil keine Daten zum bundesdeutschen Winterbestand des Raubwürgers vorlägen).
- Für gleich drei (!) Arten gelte das VSG als eines der fünf wichtigsten Gebiete in NRW für Anhang I-Arten oder Arten nach Art. 4 (2):
- Grauspecht (8-10 % des Bestandes von NRW)
- Neuntöter (4-7 % des Bestandes von NRW)
- Raubwürger (32-53 % des Bestandes von NRW)
Auch durch die reichhaltige Habitatausstattung des Gebietes würden nach Aussage des LANUV folgende Zusatzkriterien erfüllt:
- Das Gebiet unterscheide sich in Charakter, Habitat oder ornithologischem Wert von der Umgebung.
- Das Gebiet biete eigenständig oder mit anderen Gebieten die nötigen Lebensgrundlagen für die zu schützenden Arten.
- Das Gebiet sei ein bestehendes oder potentielles Schutzgebiet oder eine Region, in der Maßnahmen für den Naturschutz möglich sind, da die Flächen in großen Teilen als FFH- oder/und Naturschutzgebiete ausgewiesen sind.
- Weitere Vogelarten mit landesweit bedeutsamen Populationen nach Anhang I der EU-Vogelschutz-Richtlinie, die im VSG Diemel- und Hoppecketal vorkommen, seien:
Eisvogel, Uhu, Schwarzmilan, Schwarzstorch, Schwarzspecht, Mittelspecht, Raufußkauz. Rotmilan, Wiesenpieper.
Die hier aufgelisteten Vogelarten kommen im Gebiet vor:
Liste der im VSG „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ nachgewiesenen Vogelarten
NRW weist Gebiete als Vogelschutzgebiete aus, in denen von europäisch bedeutsamen Arten mindestens 5% der NRW-Population vorkommen.
Insgesamt lassen sich im Gebiet 113 Brutvogelarten nachweisen. Das sind rund 60% aller Brutvogelarten in NRW und 48% der Vogelarten in Deutschland. Von den 113 Arten stehen 33% auf der Roten Liste.
Artname: | fett = europäisch bedeutsame Art | 5%-Kriterium |
Haubentaucher | ||
Graureiher | mehrere Kolonien | |
Schwarzstorch | verglichen mit den anderen VSG deutschlandweit das drittwichtigste Gebiet sowie für NRW das wichtigste Gebiet | x |
Höckerschwan | ||
Graugans | ||
Kanadagans | ||
Nilgans | ||
Stockente | ||
Reiherente | ||
Wiesenweihe | Brutpaar am Rand des Verbreitungsgebietes | x |
Mäusebussard | ||
Sperber | verbreitet vorkommend | |
Habicht | verbreitet vorkommend | |
Rotmilan | verglichen mit den anderen VSG deutschlandweit an 5. Stelle der wichtigsten Gebiete sowie für NRW das wichtigste Gebiet | x |
Schwarzmilan | verglichen mit den anderen VSG in NRW das wichtigste Gebiet | x |
Wespenbussard | Bestand unklar | |
Baumfalke | mehrere Brutreviere | |
Wanderfalke | mehrere Brutreviere | |
Turmfalke | ||
Rebhuhn | letzte Vorkommen im HSK außerhalb Medebacher Bucht | |
Wachtel | Verbreitungsschwerpunkt im HSK | |
Teichralle | ||
Bleßralle | ||
Wachtelkönig | hochgradig seltene Art; Invasionsvogel – bis zu 3-4 Paaren | |
Flußregenpfeifer | mehrere Brutreviere | |
Waldschnepfe | mehrere Brutreviere; Gesamtbestand unklar | |
Hohltaube | Verbreitungsschwerpunkt im HSK | |
Ringeltaube | ||
Türkentaube | ||
Turteltaube | Einzelreviere; massive Bestandsrückgänge seit 20 Jahren | |
Kuckuck | einzelne Rufer; massive Bestandsrückgänge seit 20 Jahren | |
Schleiereule | Einzelreviere; massive Bestandsrückgänge seit 20 Jahren | |
Uhu | verglichen mit den anderen VSG deutschlandweit das drittwichtigste Gebiet sowie für NRW das zweitwichtigste Gebiet; höchste Dichte Deutschlands | (x) |
Waldkauz | ||
Rauhfußkauz | verglichen mit den anderen VSG in NRW das wichtigste Gebiet | x |
Waldohreule | Einzelreviere; Bestandsrückgänge seit mehreren Jahren | |
Mauersegler | ||
Eisvogel | verglichen mit den anderen VSG in NRW das wichtigste Gebiet | |
Buntspecht | ||
Grauspecht | verglichen mit den anderen VSG deutschlandweit an 6. Stelle der wichtigsten Gebiete sowie für NRW das wichtigste Gebiet | x |
Grünspecht | bedeutende Bestandszunahme seit 20 Jahren; Klimagewinner | |
Mittelspecht | verglichen mit den anderen VSG in NRW an 6. Stelle der wichtigsten Gebiete | |
Kleinspecht | mehrere Brutreviere | |
Schwarzspecht | verglichen mit den anderen VSG in NRW das wichtigste Gebiet | |
Feldlerche | ||
Mehlschwalbe | ||
Rauchschwalbe | ||
Schafstelze | mehrere Brutreviere | |
Bergstelze | ||
Bachstelze | ||
Baumpieper | ||
Wiesenpieper | verglichen mit den anderen VSG in NRW an 6. Stelle der wichtigsten Gebiete | |
Raubwürger | verglichen mit den anderen VSG deutschlandweit mind. an 6. Stelle der wichtigsten Gebiete sowie für NRW mind. das zweitwichtigste Gebiet; deutschlandweit bedeutsames Vorkommen an Winterrevieren | x |
Neuntöter | verglichen mit den anderen VSG deutschlandweit an 16. Stelle der wichtigsten Gebiete sowie für NRW das zweitwichtigste Gebiet | x |
Wasseramsel | an den Fließgewässern verbreitet | x |
Zaunkönig | ||
Heckenbraunelle | ||
Feldschwirl | ||
Sumpfrohrsänger | ||
Gelbspötter | ||
Gartengrasmücke | ||
Mönchsgrasmücke | ||
Klappergrasmücke | ||
Dorngrasmücke | ||
Fitis | ||
Zilpzalp | ||
Waldlaubsänger | ||
Wintergoldhähnchen | ||
Sommergoldhähnchen | ||
Trauerschnäpper | ||
Grauschnäpper | ||
Schwarzkehlchen | mehrere Brutpaare; Klimagewinner | |
Braunkehlchen | ||
Gartenrotschwanz | selten, starke Rückgänge in den letzten 30 Jahren | |
Hausrotschwanz | ||
Rotkehlchen | ||
Steinschmätzer | ||
Misteldrossel | ||
Singdrossel | ||
Amsel | ||
Wacholderdrossel | ||
Schwanzmeise | ||
Haubenmeise | ||
Sumpfmeise | ||
Weidenmeise | ||
Blaumeise | ||
Kohlmeise | ||
Tannenmeise | ||
Kleiber | ||
Gartenbaumläufer | ||
Waldbaumläufer | ||
Rohrammer | ||
Goldammer | ||
Zippammer | einziges Vorkommen in NRW; nördlichstes Vorkommen in Mitteleuropa | x |
Buchfink | ||
Girlitz | ||
Grünfink | ||
Distelfink | ||
Birkenzeisig | ||
Erlenzeisig | ||
Bluthänfling | ||
Fichtenkreuzschnabel | ||
Kernbeißer | ||
Gimpel | ||
Haussperling | ||
Feldsperling | ||
Star | ||
Eichelhäher | ||
Elster | ||
Tannenhäher | ||
Dohle | ||
Rabenkrähe | ||
Kolkrabe |
Das LANUV gibt daher das eindeutige Fazit:
- Das Gebiet „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ erfüllt die Kriterien eines EU-Vogelschutzgebiets.
- Dieses VSG schützt wesentliche Anteile der NRW-Populationen von Arten des Anhangs I und nach Art 4 (2) Vogelschutzrichtlinie der EU (VschRL).
- Das VSG stellt somit einen wichtigen Beitrag zum Natura 2000-Netz dar.
- Wesentliche Flächenanteile des VSG sind bereits durch FFH-Gebiete und Naturschutzgebiete abgedeckt.
Da die Voraussetzungen für ein EU-Vogelschutzgebiet zweifelsfrei mehr als erfüllt sind, muss das Land Nordrhein-Westfalen dieses Gebiet auch offiziell als VSG ausweisen; es besteht sogar nach geltendem Recht faktisch schon.
Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
Chancen für den östlichen Hochsauerlandkreis
- Das östliche Sauerland spielt schon jetzt als Wander- und Radfahrregion eine große Rolle für den Tourismus. Ein offizielles VSG bietet weitere Werbemöglichkeiten gegenüber Naturliebhabern und steigert den touristischen Wert des Gebiets.
- Die landwirtschaftlichen Betriebe profitieren – unabhängig von der Bewirtschaftung erhalten alle Landwirte pauschal für jeden Hektar bewirtschafteten Landes eine grundsätzliche Förderung in Natur- und Landschaftsschutzgebieten. Im VSG Medebacher Bucht sind dies bis zu 120 Euro pro Jahr und Hektar zusätzlich zu weiteren Förderprogrammen.
- VSG sind Schwerpunkte des Einsatzes von Fördermitteln des Naturschutzes. In einem VSG können Landwirte einfacher Fördergelder für ökologischere Bewirtschaftungsformen und Öko-Maßnahmen erhalten, also weiteren wirtschaftlichen Nutzen aus dem VSG ziehen: Alle Grünlandflächen sind in einem VSG grundsätzlich förderfähig für den freiwilligen Vertragsnaturschutz (Kulturlandschaftspflegeprogramm / KLP).
- Ein VSG bietet der Entwicklung der Landwirtschaft langfristige Perspektiven. Das VSG soll zukünftig ein Schwerpunkt für die Biodiversitätsberatung und -Förderung der Landwirtschaftskammer und der Unteren Naturschutzbehörde sein, um Maßnahmen für die gemeinschaftlich umzusetzende, geförderte naturschutzgerechte Landbewirtschaftung durchzuführen.
- In der Forstwirtschaft können – neben den vorhandenen Förderangeboten – nach Ausweisung des VSG neue Förderinstrumente wie die Einführung eines Angebotes für einen flächenhaften Verzicht auf Waldnutzung in ausgewählten Bereichen entwickelt und eingefordert werden. Beispielsweise kann ein sogenanntes „Altwald-Streckungskonzept“ entwickelt werden: Das Bundesamt für Naturschutz schlägt vor, dass der Bestockungsgrad eines Alt-Waldbestandes alle zehn Jahre um den Faktor 0,1 abgesenkt wird, um dauerhaft einen Altwald zu erhalten.
Keine Nachteile für die Wirtschaft!
Das schon seit dem Jahr 2000 bestehende Vogelschutzgebiet Medebacher Bucht zeigt, dass weder die wirtschaftliche Entwicklung blockiert wird, noch die land- und forstliche Bewirtschaftung mit verordneten Einschränkungen belastet wird. Entwicklungsflächen um die Ortschaften sind dort explizit ausgenommen, wie dies auch beim Vogelschutzgebiet Diemel- und Hoppecketal der Fall ist. Sämtliche ausgewiesene Gewerbe- und Industriegebiete sind von dem VSG nicht betroffen.
Bedrohungen für Natur- und Landschaft können gemildert werden
Durch die Bestätigung der fachlichen Eignung durch das LANUV liegt ein faktisches Vogelschutzgebiet vor, welches direkte Auswirkungen auf Planungen wie z.B. den Bau von Windkraftanlagen und andere großflächige Planungsvorhaben hat – die berechtigten Anliegen des Naturschutzes werden gestärkt. Zudem wird zukünftig ein Monitoring über die Bestandsentwicklung der wertgebenden Vogelarten durchgeführt. Sollten deren Brutpaarzahlen dauerhaft gravierend rückläufig sein, werden die notwendigen Maßnahmen auf der Grundlage eines Vogelschutzmaßnahmenplans mit allen Beteiligten erarbeitet und umgesetzt.
Auch folgender aktuell stattgefundener Naturfrevel darf in einem ausgewiesenen VSG nicht mehr stattfinden: Im Winter 2020 wurden mehrere Hektar eines weit über 100jährigen Buchen-Altbestandes bei Marsberg-Giershagen komplett abgeholzt.
Der VNV-Antrag auf Ausweisung des Europäischen Vogelschutzgebietes „Diemel- und Hoppecketal“ schlägt in der Öffentlichkeit hohe Wellen. Den in Teilen der Presse und auf Versammlungen geäußerten absurden – und leicht widerlegbaren – Vorwürfen Einzelner stellen wir hier sachliche Stimmen zum Vogelschutzgebiet gegenüber:
Sauerlandkurier vom 22.12.2020: https://vnv-hsk.de/?p=891
Website der Sauerländer Bürgerliste: https://vnv-hsk.de/2019/02/884/
Lesebrief vom 26.02.2021, Westfalenpost: https://vnv-hsk.de/2021/02/lesebrief-vom-26-02-2021-westfalenpost/
Sauerlandkurier vom 06.02.2021, Seite 1: https://vnv-hsk.de/wp-content/uploads/2021/03/Ausschnitt_SK-HSK-2021-02-06_Seite_1_79554.0.pdf
Sauerlandkurier vom 06.02.2021, Seite 2: https://vnv-hsk.de/wp-content/uploads/2021/03/Ausschnitt_SK-HSK-2021-02-06__Seite_2_68884.0.pdf