Allein auf die Vorkommen der Vogelarten kommt es an
Am 17. Mai 2021 fand im Rahmen einer Videokonferenz eine „Podiumsdiskussion“ zum Vogelschutzgebiet „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ statt, an der u.a. die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser teilnahm. Durch Beiträge der Fachbehörden (Bezirksregierung, LANUV – Landesamt für Naturschutz) ist eine grundsätzliche Position des VNV bestätigt worden:
Bei der Ausweisung eines Vogelschutzgebietes zählen allein die Vorkommen der planungsrelevanten Arten.
Dabei müssen alle Gebiete abgedeckt werden, die von einer Art genutzt werden, wegen der das VSG besteht bzw. ausgewiesen wird. Diese Rechtsauffassung bestätigte Dr. Christoph Leifer, Umweltministerium NRW. Dr. Matthias Kaiser vom LANUV führte am Beispiel des Grauspechts aus:
Der Grauspecht sei ein „Lebensraumkomplex-Bewohner“. Er ernähre sich als Bewohner von Laubwäldern großenteils von Wiesenameisen, die Art sei folglich angewiesen u.a. auf Offenflächen wie Waldränder und -lichtungen sowie Kalamitätsflächen.
Ähnliches gelte für Neuntöter und Raubwürger, die ebenfalls Lebensraumkomplexe, also verschiedenste Strukturen nutzten.
Dies sind fachliche Argumente, die die beantragte VNV-Gebietsabgrenzung des VSG untermauern – und die unserer Ansicht nach klar zeigen: Wenn von einem „faktischen Vogelschutzgebiet“ gesprochen wird, muss sich dieser Begriff auf die VNV-Abgrenzung beziehen. Die LANUV-Abgrenzung eines auszuweisenden VSG deckt dagegen die Vorkommen der relevanten Vogelarten nur unzureichend ab und wird daher den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht.
Beispiel Raubwürger: Der VNV kartierte im Jahr 2020 in der VNV-Gebietskulisse 22 Brutreviere der vom Aussterben bedrohten Vogelart. Davon werten wir aber 5 Reviere nur als mögliche Brutreviere, weil wir dort nur Brutzeitbeobachtungen hatten.
Von den verbleibenden 17 sicheren Brutrevieren liegen:
7 Reviere zu 0 % innerhalb der LANUV-Abgrenzung,
8 Reviere nur zu ca. 50 % sowie
lediglich 2 Reviere zu 100 % in der LANUV-Abgrenzung.
Beispiel Grauspecht: Im Brutzeitraum 2021 liegt unser derzeitige Kartierstand der sicheren Brutreviere bei 65, wobei dies ein vorläufiges Ergebnis ist (Stichtag:12.05.2021) und wir dieses Jahr nur einen Teil des VSG kartieren. Die tatsächliche Revierzahl dieses Gebietes liegt also deutlich höher.
Etwa die Hälfte dieser Reviere aus 2021 liegt ganz oder teilweise außerhalb der LANUV-Abgrenzung. Auch die unserem Antrag zugrunde liegenden Daten aus den Vorjahren zeigen: Viele Grauspecht-Reviere werden nicht durch die LANUV-Abgrenzung abgedeckt.
Neben den Arten Grauspecht, Raubwürger und Neuntöter kommen im faktischen VSG neun weitere Vogelarten mit landesweit bedeutsamen Populationen nach Anhang I der EU-Vogelschutz-Richtlinie vor. Auch diese müssen durch das VSG geschützt werden.
Dr. Kaiser bestätigte ausdrücklich:
- Bei der Erhebung der Daten hielt sich der VNV an die offiziellen Methoden-Standards.
- Die Grundlagendaten des VNV sind solide und halten der kritischen Prüfung des LANUV stand.
- „Die Brutdaten sind konservativ erfasst“, der Bestand sei also eher höher einzuschätzen als angegeben.
- Teilweise habe der VNV die methodischen Anforderungen bezüglich der Grundlagendaten sogar „übererfüllt“, die zur Einordnung als sicheres Brutrevier führen.
Zu betonen ist, dass alle erhobenen Daten einer Nachprüfung standhalten, also Seitens Dritter verifizierbar sind. So auch die Ministerin Heinen-Esser: Die vom VNV angewandte Kartier-Methodik sei „einwandfrei“. „Aus fachlicher Sicht besteht kein Zweifel an der Belastbarkeit der Daten.“
Fazit:
Auch dem Nichtornithologen muss offensichtlich sein, dass die VSG-Abgrenzung des LANUV deutlich zu klein ist. Das faktische VSG umfasst demnach das im VNV-Antrag umgrenzte Gebiet. Denn es zählen die nachgewiesenen Vorkommen der relevanten Vogelarten. Dabei sind die gesamten als Lebensraum genutzten Gebiete eines Reviers einzubeziehen. Das sagte Dr. Leifer, Vertreter des Umweltministeriums.
Dem rechtlichen Anspruch wird die VNV-Abgrenzung gerecht.
Ausblick:
Seit Beginn des Verfahrens zur Ausweisung des VSG zeigt sich der VNV gesprächsbereit; wir gingen und gehen aktiv auf Akteure und Entscheidungsträger im Raum Brilon-Marsberg und auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene zu, um die Sicht des Naturschutzes darzulegen und um unbegründeten Vorwürfen und Diffamierungen einzelner Interessenvertreter und Lobbyisten sachliche Information gegenüber zu stellen. So führten wir bereits Gespräche mit allen in den Stadtparlamenten vertretenen Fraktionen (sofern sie dies wünschten).
Darum begrüßen wir den während der Podiumsdiskussion aufgekommenen Vorschlag, einen Runden Tisch einzurichten, um im Zusammenwirken der vom VSG berührten Interessengruppen zu einem tragfähigen Konsens bezüglich der Ausweisung eines VSG „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ zu gelangen. Der VNV wird sich – wie er dies seinerzeit auch schon bei der Erarbeitung der „Medebacher Vereinbarung“ zum VSG „Medebacher Bucht“ tat – konstruktiv einbringen. Richtschnur ist dabei selbstverständlich die Beachtung der EU-Vogelschutz-Richtlinie. Zitat Dr. Leifer zu fachlich nicht haltbaren Forderungen, man möge doch Flächen wie Nadelwald- und Ackerparzellen aus dem VSG herausnehmen: „Wir wollen uns kein weiteres Vertragsverletzungsverfahren ins Haus holen. Das ist auch in Ihrem Interesse.“